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ACHILLES-VERSE

in Anbetracht der griechischen Schuldenkrise drängt es sich auf,  ein paar angemessene Achilles-Verse aus dem Hut zu zaubern. Aber bleiben wir sachlich. Denn die Griechen können für ihre Regierung(en) ja auch nicht mehr als wir für die unsrigen.

Besagter Achilles, richtiger Achilleus, wurde der griechischen Sage nach von seiner göttlichen Mutter Thetis in den Fluss Styx getaucht, der Unterwelt und Oberwelt trennte, um ihn so unverwundbar zu machen.
Ein göttlicher Anwenderfehler verhinderte jedoch das vollumfängliche Gelingen dieses ehrgeizigen Projekts, da der Held an seiner rechten Ferse verwundbar blieb und später durch einen Pfeil in ausgerechnet diese Schwachstelle der Imprägnierung hinein zu Tode kam.

Dass Achilles zuvor durch zahlreiche Heldentaten aufgefallen war, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass er wohl an einigen unentdeckten Vorerkrankungen gelitten haben muss, wurde er doch durch eine vergleichsweise geringe Verletzung dahin gerafft.
Vermutlich hatte er es mit den Vorsorgeuntersuchungen etwas lasch gehalten, was für sich genommen allerdings noch keinen Helden ausmacht. Diejenigen unter Ihnen, die das aus persönlichen Gründen zutiefst bedauern, dürfen sich meiner Solidarität gewiss sein.

Die heutige Problematik Griechenlands weist einige Parallelen zum Schicksal des Achilles auf. Für unverwundbar scheinen sich auch die vergangenen griechischen Regierungen gehalten zu haben, die im Kampf um Kapital über Jahre hinweg dermaßen listenreich vorgingen, dass dagegen selbst ein Odysseus verblasst wäre, sich dabei aber recht fahrlässig eine mittelgroße Portion trojanischer Pferde einverleibten.

Die Achillesferse des griechischen Staatshaushalts reicht der Regierung Papandreou nun bis zum Hals, und an Pfeilen mangelt es auch nicht, auch wenn sie aus dem Lager internationaler Hedgefonds kommen.

Für den Euro, dessen Regularien für einen derart sagenhaften Fall keinerlei Exit-Strategie vorsehen, bedeutet das die erste Nagelprobe. Reagiert die Staatengemeinschaft jetzt erneut mit dem „too big to fail“-Reflex, wird das dem Euro langfristig mehr schaden als nutzen - und zur gefährlichen „Präzedenzfalle“. Genau darauf scheinen die Märkte aber derzeit zu spekulieren, denn auch die neue Hellas-Anleihe vom vergangenen Donnerstag wurde wieder deutlich überzeichnet.

SPAR-TAKUS

Dass damit das neue, nunmehr dritte Sparprogramm Athens honoriert wurde, mutet doch eher wie eine verklärende, etwas blauäugig Sicht der Dinge an. Vielmehr scheinen sich die Anleger recht sicher zu sein, dass die derzeit noch solventeren unter den Eurostaaten Griechenland im Falle eines nochmals beschleunigten Falles schon zur Seite springen werden, auch wenn sie das derzeit vehement dementieren.

Damit dies eben nicht geschieht, fordert Brüssel von Griechenland drakonische Sparmaßnahmen. Nicht Achilles, Spar-takus, witzigerweise (nomen es omen) Trendsetter eines spar-tanischen Lebensstils soll der Held der Stunde sein. Leider hat die Sache einen Haken, womit nun, ich kann ja nichts dafür, zu guter Letzt auch noch Damokles ins Spiel kommt:

Denn die Zeche für die finanzpolitischen Gaunereien der letzten Jahre sollen die griechischen Steuerzahler begleichen.
Dass diese davon ganz und gar nicht begeistert sind und nach Wegen und Mitteln suchen werden, ihre Steuerpflicht noch mannhafter als bisher zu umgehen, liegt auf der Hand, tut aber ökonomisch weniger zur Sache als der Umstand, dass stärker besteuerte und in der Kaufkraft beschnittene Konsumenten nun einmal weniger konsumieren, und unter rückläufiger Nachfrage leidende Unternehmen weniger investieren können, was zu weiteren Steuerausfällen führt, die ihrerseits eine höhere Schuldenaufnahme oder noch weiter gehende Steuererhöhungen zur Folge haben dürften.

GRIECHISCHE TRAGÖDIE ...

Mit 78 Worten schlängelte sich der letzte Satz durch den langen Parcours, in den die griechische Realwirtschaft gerade eingefahren ist und der ein wirkliches Wunder braucht, um in den Geschichtsbüchern der Volkswirtschaft später einmal nicht als Teufelskreis bezeichnet zu werden.

Dass es gerade die Griechen trifft, die nun die ökonomische Quadratur des Kreises vorexerzieren müssen, ist eher Zufall.

Denn denjenigen, die heute mit mehr oder weniger (un)verhohlener Schadenfreude auf den Zuschauerrängen dieser griechischen Tragödie Platz genommen haben, scheinen größtenteils gar nicht bewusst zu sein, dass sie letztlich selbst ebenfalls Akteure  der Aufführung sind, da sie a) vor den gleichen, nur dem Ausmaß nach vielleicht etwas geringeren Problemen stehen, b) Mitglieder des gleichen Währungsverbundes sind und c) nach Lage der Dinge letztlich zur Kasse gebeten werden, falls den Griechen die Quadratur des Kreises nicht gelingt.

... UND KOMÖDIEN IN WASHINGTON, BRÜSSEL UND BONN

Damit das Ganze nicht gar so traurig ist, haben sich die Behörden in Washington, Brüssel und Bonn, vermutlich ohne sich zuvor darüber abzusprechen, der erheiternden Seite der Wirtschafts- und Finanzwelt angenommen - und es allesamt richtig krachen lassen!

So hat das amerikanische Justizministerium die unter dem Verdacht gemeinsam abgesprochener Anti-Euro-Wetten stehenden US-Hedgefonds jetzt aufgefordert, keine Unterlagen zu schreddern oder E-Mails zu vernichten. Das verdient Beifall.

Richtiger formuliert, hat das US-Justizministerium den Hedgefonds damit signalisiert: „Wir kommen in den nächsten Wochen mal zu einer Hausdurchsuchung vorbei, seht doch bitte zu, dass die Bude bis dahin sauber ist.“ Das verdient keinen Beifall.

Die Financial Times vom Donnerstag widmete diesem Vorgang eine halbe Seite, blickte es aber sonderbarerweise nicht und titelte unsinnigerweise „Spekulanten müssen zittern“, wobei erkennbar das „nicht mehr“ fehlt.

In Brüssel gibt man derweil ein Remake von „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, nachzulesen ebenfalls in der Donnerstagsausgabe der Financial Times. Die EU-Kommission spart zwar nicht mit rigorosen und teilweise drakonisch anmutenden Drohgebärden in Richtung Athen, scheint aber allenfalls einen fahlen, nicht einmal blassen Schimmer zu haben, was sie eigentlich tut und um was es geht. Zitat der FTD:

„Die CDS-Aufschläge für griechische Staatsanleihen sind hingegen seit November 2009 nach oben geschnellt. Da es keine Börsen- und Clearingpflicht gibt, gilt der CDS-Handel als intransparent. Ziel der EU-Kommission ist es daher, die Preismechanismen auf dem CDS-Markt und seine Verbindung zum Anleihehandel kennenzulernen.“

Macht das nicht Mut? Credit Default Swaps (CDS) sind nur eine der tickenden Zeitbomben des Derivate-Exzesses. Und genau die Institution, die gegenüber Athen jetzt einmal die vermeintlichen Muskeln spielen lässt, weiß gar nicht, um was es geht, möchte das aber jetzt einmal „kennenlernen“. Brüsseler Spitzen, falsch geklöppelt.

BERICHT AUS BONN

In Bonn schließlich gibt es eine Anstalt. Wer will da schon hinein?  Eine Bundesanstalt sogar, was ja fast suggeriert, dass dort nur die ganz besonders schweren Fälle untergebracht sind.

Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) ist nun aber nicht für manisch-depressive Opfer der Finanzkrise zuständig, die zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt schwanken, sondern für die Beaufsichtigung und Regulierung des Finanzmarktes.

Ungedeckte Leerverkäufe von Wertpapieren (shortselling) insbesondere bei elf Bank-, Versicherungs und anderen finanzmarktnahen deutschen Blue Chips hatte die BaFin im Zuge der Finanzkrise schon recht bald im Verdacht, den Abwärtsdruck am Aktienmarkt nach der Lehman-Pleite noch zu verstärken, weswegen sie sie 2008 kurzerhand verbot.

Dieses Verbot wurde zweimal verlängert. Ende Januar d. J. gelangte die BaFin jedoch zu der Überzeugung, dass sich die Börsen nachhaltig stabilisiert haben und in ruhigeres Fahrwasser eingelaufen sind. Folgerichtig hob sie die verhängten Beschränkungen der ungedeckten Leerverkäufe wieder auf.

Da kommt es wirklich richtig gut, dass die BaFin gerade einmal fünf Wochen später wieder zurück rudert und noch für diesen Monat  eine Meldepflicht für Leerverkäufe angekündigt hat, ganz gleich ob gedeckt oder ungedeckt.

Die BaFin geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie diese Meldepflicht auch für Finanzinstrumente einführt, „welche im Ergebnis einer Leerverkaufsposition in Aktien entsprechen“.

Was denn nun? Hat sich die Stabilisierung des Finanzmarktes schon wieder verflüchtigt? Dann hat die BaFin die Lage vor fünf Wochen falsch eingeschätzt. Und schüttet sich nun selbst dermaßen mit unsinnigem Kleinkram zu, dass sich die wirklichen Strippenzieher der Krise recht sicher sein können, gar nicht erst mit Aufmerksamkeit bedacht zu werden.

UND ALLES STEIGT... NOCH

Wir schön, dass die Marktteilnehmer das alles gut finden. Wie auch die Entwicklung der Arbeitsmarktzahlen in den USA, den andauernden Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes, die völlig implodierenden Immobilienfinanzierer Fannie und Freddie, die explodierende Verschuldung und die, wenn auch verhaltene, Ankündigung der Notenbanken, die ins System gepumpte, leider aber niemals bei der Realwirtschaft angelangte Überschussliquidität wieder abschöpfen zu wollen.

1929 lässt grüßen. Am Aktienmarkt und am Rentenmarkt steigen die Kurse, während die Notenbanken über das Ende des historisch beispiellosen Kreditexzesses nachdenken. Und die Titanic fährt in die Nacht, gesteuert  von einer ahnungslosen Crew (s. o.).

Bei einem worst case-Szenario, auf das Sie sich vorbereiten und das dann doch nicht eintrifft, verlieren Sie gar nichts. Bei einem worst case-Szenario, auf das Sie sich nicht vorbereiten und das dann doch nicht eintrifft, verlieren Sie alles.

Sich heute zu wappnen, ist dank der verfügbaren Finanzinstrumente ungleich leichter denn je. Und vor dem Hintergrund einer preiswerten „Versicherung“ gegen den Fall des Falles lässt es sich mit Verve, einem freien Kopf und viel Freude spekulieren. Dass sich Wirtschaft und Finanzmärkte auf einem völlig neuen Terrain bewegen, sollten Sie nicht als Bedrohung, sondern als einmalige Chance verstehen. Und sie auch nutzen, sobald Sie Ihre potentielle Achillesferse immunisiert haben!

Viel Erfolg, viel Spaß und beste Grüße!
Axel Retz

© 05.03.2010

Der Autor ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de


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