Das weltweit bestgehütete Geheimnis, wie Sie Ihr Depot in Schutt und Asche legen!
Kennen Sie diese Art von Texten?
„Bevor Sie weiter lesen, möchte ich Sie dringend bitten, alle evtl. anwesenden Personen aus dem Zimmer zu komplimentieren. Verschließen Sie die Türe, ziehen Sie die Vorhänge vor. Denn was ich Ihnen jetzt offenbare, ist dermaßen brisant, dass es keinesfalls in falsche Hände gelangen oder gar an die Öffentlichkeit dringen darf.
Bis heute sind die nachstehend aufgeführten Fakten weltweit bestenfalls einer Handvoll von absoluten Topp-Tradern bekannt, die selbstverständlich anonym bleiben und um wirklich jeden Preis verhindern möchten, dass ihr kleiner, elitärer Zirkel der absolut Mega-Reichen gesprengt wird.
Einen von ihnen – seinen Namen darf ich Ihnen nicht nennen, haben wir über unser international arbeitendes Netzwerk von Mittelsleuten ausfindig machen können und auf einer Yacht in der Karibik getroffen. Wo genau, muss natürlich absolut geheim bleiben. Denn die Welt ist leider voller Neider.
Was uns dieser Mann unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit erzählt hat, übertrifft mit Sicherheit ihre allerkühnsten Vorstellungen davon, wie einfach es ist, in nur wenigen Monaten eine erste Million an der Börse zu verdienen. Und danach immer, immer weitere!!
Wie? Das sage ich Ihnen jetzt! Aber Sie müssen mir versprechen, mit wirklich niemandem darüber zu reden, auch nicht mit ihren engsten Freunden oder Verwandten. Versprechen Sie mir das bitte ganz persönlich!
Haben Sie auch wirklich die Türe verschlossen und die Fenster abgedunkelt? Bitte tun Sie es spätestens jetzt. Und dann, wirklich nur dann lesen Sie weiter...
Anfänglich wollten auch wir das nicht glauben. Eine Millionenmaschine, aus der das Geld nur so heraus sprudelt – das kann es doch nicht geben. Oder doch?
Was uns überzeugte: Auf dem Achterdeck seiner Yacht hatte Herr X (nennen wir ihn einmal so) zwölf Sportwagen stehen. Seine „Läuse“, wie er sagte. Alle in dem gleichen, eigenwilligen Gelb. Unsere ungläubigen Blicke bemerkend, meinte er wie entschuldigend: „Normalerweise sollte man Jaguars nur in racing-green und Ferraris nur in rot kaufen. Aber ich selbst habe mich nur selten daran gehalten.“
Ahnen Sie es? Geld spielt für diese Leute einfach keine Rolle mehr.
Sie (haben Sie sich wirklich sicher abgeschottet?) halten gerade den Schlüssel in der Hand, um sich den Zutritt zu diesem geheimen, heiligen Gral des Geldes zu öffnen, von dessen Existenz nur Sie jetzt wissen.
Nur Sie – ich kann es Ihnen nicht abnehmen, so gerne ich würde – können jetzt noch den letzten Schritt vollziehen, der Ihr Leben in eine völlig andere Bahn lenken wird: Die des endlosen Reichtums. Bitte lesen Sie nicht weiter, wenn Sie dazu nicht wirklich bereit sind und sich dem auch gewachsen fühlen:Sie müssen jetzt, am besten heute noch, noch besser sofort, das für Sie ganz persönlich auf Ihren Namen hier hinterlegte und nur bis zum 30. Januar Punkt 23.59 Uhr gültige Teilnahme- Zertifikat ausfüllen und es uns per E-Mail, Fax oder Post zusenden.
Ich selbst rate ihnen dringend, nicht den Postweg zu wählen. Denn Sie verschenken (mindestens) einen Tag Postlaufzeit. Und das kann wirklich für Ihr ganzes weiteres Leben entscheidend sein. Warum?
Weil dieses exklusive Angebot streng auf die ersten, also schnellsten 20 Geldgiganten von morgen beschränkt ist. Mehr als 20 wollte uns unser Informant trotz allen Drängens nicht einräumen. Und „kaufen“ kann man ihn ja nicht ...“
DAS KENNEN SIE, ODER?
Nun ja. Diese fragwürdige Art von Werbebotschaften, von mir mal rasch zusammengetextet, kennen wir alle. Sie sollen vor allem eines: Den Leser bei seinen Instinkten packen, ihn gierig – und zwar richtig – machen, ihm vorgaukeln, dass er eine absolut vertrauliche, exklusive und nur an ihn adressierte Nachricht in Händen hält, die ihm endlich, endlich etwas ermöglichen wird, wovon viele unter uns träumen: Geld ohne Ende.
Zwölf Sportwagen erscheinen mir übertrieben – zehn würden reichen. Spaß beiseite: Gäbe es dieses „ultimative Rezept“ der Geldvermehrung wirklich, in wessen Händen läge es wohl?
Und warum sollte irgendjemand, der über eine derartige Methode verfügt, sie in einem angeblich „exklusiven“ Mailing an 50.000, 100.000 oder 1.000.000 Gierige versenden oder eine derartige Versendung zulassen? Und sie über Internet Millionen potentieller Leser feilbieten?
Um sich noch mal 3000 zusätzliche Sportwagen zu kaufen? Damit würde selbst die größte gerade auf der „Boot“-Messe in Düsseldorf vorgestellte Yacht sinken wie ein Stein. Womit wir mal in die Realität zurückkehren wollen:
2008, so jung das neue Jahr auch ist, hat an den Börsen mit einer recht deutlichen Phase der Kapitalvernichtung begonnen. Das riecht, wenn überhaupt nach irgendetwas anderem als nach verbranntem Geld, beißend nach Gummi: Nix Yacht, für viele Anleger reicht es nach diesem Januar gerade noch für ein Schlauchboot von ALDI.
Viele Haussiers hat es binnen weniger als eines Monats regelrecht niedergemäht. Bis zur Wochenmitte verlor der Dax mehr als seinen gesamten Jahresgewinn des Vorjahrs, der SMI in Zürich und der Wiener ATX durchbrachen sehr deutlich ihren 200 Tage-GD und ihre seit Frühjahr 2003 etablierten Aufwärtstrendlinien (s. meine früheren Kolumnen).
Wer hier mit Call-Derivaten unterwegs war und in Selbstverliebtheit in die eigene Einschätzung oder auf falschen Rat hin seine Positionen auch noch beständig „verbilligt“ hat, sitzt nun auf einem Scherbenhaufen, auf dem mehr als nur zwölf Sportwagen Platz hätten, deren Farbe mir nicht wirklich wichtig genug erscheint, um darauf einzugehen.
AB MORGEN ALLE REICH?
Gier, das ist das eine. Ihr darf man als Börsianer nie erliegen. Auf dieser Seite habe ich, das darf ich sagen, auch noch niemals einen Fehler begangen, da ich niemals ohne Stoppkurse trade.
Zu oft, das räume ich im Nachhinein ein, bin ich früher dem Fehler erlegen, Lineal und Bleistift zu misstrauen. Mitte der achtziger Jahre kritzelte man damals Trendlinien in einmal wöchentlich erscheinende Charthefte hinein. War ich long, wollte ich den offenkundigen Trendbruch nicht sehen. War ich short, fand ich (durchschnittlich) 153,26 gute Gründe, dem Offensichtlichen zu misstrauen – und in der Folge Geld zu verlieren.
Mailings der o. g. Art verdienen nach meiner Überzeugung einen Logenplatz im Altpapier.. Börse ist kein Tralala. Sie bedeutet Arbeit. Geld muss man sich auch dort wirklich verdienen. Aber es gibt einfache, sehr einfache Regeln, die einen vor allem davor bewahren, „abzusaufen“. So wie beim Tauchen.
Beherzigt man sie – und ich tauche für mein Leben gern – geht man nicht nur nicht unter, sondern taucht auch noch mit wirklich ganz persönlichen Schätzen auf, die man in aller Ruhe auch dann geborgen hat, wenn es rundum ruppig wird.
Keine Verluste zu haben bis jetzt 2008, sondern Gewinne in allen meiner drei Börsendienste, darauf bin ich stolz. An der Yacht arbeite ich nicht einmal. Ich schlafe morgens aus, bis mich das Tageslicht weckt.
Das z. B. ist Luxus. Für mich zumindest. Ermöglicht durch die Börse, wenn man nicht gegen sie arbeitet und sein Ego hinten anstellt. Klingt einfacher, als es ist. Ist aber lernbar.
Vertagen Sie die Yacht nach hinten. Wenn Sie erst mal eine haben, werden Sie sich über die Folgekosten wundern. Lassen Sie es klein angehen. Sie haben ja gerade erst miterlebt, wie rasch es mit dem „Geheim-Rezepten“ nach unten geht. Da wollen wir nicht hin.
Bewährtes ist angesagt. Nicht „Bewährtes“ aus den letzten fünf Börsenjahren wohlgemerkt (einen bestehenden Trend ausreiten kann jeder Trottel), sondern aus den letzten 25 Jahren. Die „alten Rezepte“, nach denen immer gekocht wurde. Und mit denen ich, wie gesagt den Januar geradezu „glänzend“ überlebt und Gewinne eingefahren habe!
Zuweilen bescheidener nach oben statt aggressiv nach unten – darüber sollten Sie einmal nachdenken, wenn Sie solch ein Mailing wie oben von mir skizziert erhalten. Oder Sie suchen nach Alternativen.
Beste Grüße!
Axel Retz
© 2008 Kolumne für www.finanztreff.de, www.ariva.de, www.zeitenwende.ch |