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Wall Street oder Fall Street?

Immer häufiger geistert in den letzten Wochen durch die Medien, dass es durchaus im Sinne der USA liege, den Dollar noch weiter abzuwerten. Das Argument: Dadurch vermindert sich, quasi durch die Hintertüre, die gewaltige Auslandsverschuldung der Vereinigten Staaten.

Das ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Die andere findet sich auf der Gläubigerseite. Denn die Wechselkursverschiebungen zu Lasten des Dollarkurses bedeuten, dass z. B. 100 einmal an die USA ausgeliehene Euro beim Fälligkeitstermin nur noch 80, 70 oder 60 Euro wert sind.

Bei einem Kredit von 100 Dollar mag das nicht dramatisch sein, bei nahezu 1.400.000.000.000 Dollar (den Devisenreserven Chinas) sieht das schon etwas anders aus. Wobei es die Chinesen noch am wenigsten trifft, da die Anbildung des Renminbi an den Dollar immer noch weitgehend funktioniert.

Andere Gläubiger (auch ein Großteil der Öl exportierender Länder) befindet sich in der unschönen Lage, durch den schwachen Dollar tagtäglich mehr Geld zu verlieren. Das – und nicht die „bösen“ Spekulanten dürfte einer der Hauptgründe für den Anstieg des Ölpreises sein.

Viele Ölexporteure haben angekündigt bzw. bereits damit begonnen, für den Rohstoff künftig auch bzw. nur andere Währungen als den Greenback zu akzeptieren.

Was das bedeutet, können sich viele Anleger offensichtlich immer noch nicht vorstellen. „Alle Welt“ musste Dollars haben, um Rohstoffe kaufen zu können. Das hatten die USA seinerzeit mit den OPEC- Ländern vereinbart und im Gegenzug zugesagt, die (teilweise unter Druck stehenden) Regierungen/Monarchien im arabischen Raum zu schützen.

Fällt das quasi-Monopol des Dollars im Rohstoffhandel, besteht keinerlei Grund mehr, diese schwindsüchtige Währung haben zu müssen. Die Folge:

Der bislang noch sehr geordnet verlaufene Rückzug des Dollarkurses kann sich jederzeit massiv beschleunigen. Setzt erst einmal ein „Rette sich, wer kann“ ein, sind Kurse von 2,00 USD/Euro schneller erreicht als die meisten Anleger glauben.

Federal Reserve: Pest oder Cholera?

Das gestern abend vorgelegte Protokoll der letzten Sitzung der US-Notenbank legt das ganze Dilemma offen: Zu lange hatte die FED das ihr zweifellos bekannte Rezessionsszenario schöngeredet. Nun liegen neue Karten auf dem Tisch. Die jetzt entworfene (und zweifellos immer noch viel zu optimistische) Konjunkturperspektive) würde sofortige Zinssenkungen erzwingen. Das aber wäre vermutlich der Trigger, um den Dollar vollends unter Wasser zu drücken. Die Folge: US-Anlagen (querbeet) würden für Auslandsanleger noch uninteressanter; das schwache Konjunkturszenario würde komplettiert durch neue Währungsrisiken.

Zinserhöhungen, die einerseits den Dollar stützen und andererseits die ausufernde Inflation eingrenzen könnten, sind allerdings völlig ausgeschlossen.

Eine US-Notenbank, die angesichts dieser worst case-Falle gar nichts tut, ist sicherlich auch nicht das, was die Märkte nun beruhigen kann.

Ich will aber nicht, das es donnert!Bis jetzt (man muss sich nur die Langfristcharts von Dow Jones und S&P 500 ansehen), ist an der Wall Street noch nichts zu Bruch gegangen. In den vergangenen Wochen habe ich wieder und wieder auf die sich aufschaukelnden Risiken hingewiesen. Und mit MDax-Puts (stoppgesichert) ab dem 06. November 122 Prozent Gewinn erzielt. Nur:

Über viereinhalb Jahre Hausse haben die Gehirne der Anleger umprogrammiert, die Baisse von 2000 – 2003 ist verdrängt. (Fast) niemand ist bereit, die beste aller Welten zu hinterfragen. Das zeigen auch die mittelfristig eingestellten Sentiment-Indizes: Von wachem Risikobewusstsein, hoher Skepsis oder gar einem Überhang der Pessimisten sind wir weit entfernt.

Das erinnert an das Verhalten von Kleinkindern, die beim Gewitter „nicht wollen“, dass es donnert. Es donnert dennoch. Die gute Botschaft: Nach dem Gewitter wird es meistens wieder schöner. Die schlechte: Das Gewitter hat gerade erst begonnen.

Beste Grüße!
Axel Retz

© Kolumne für www.finanztreff.de, 21.11.2007


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