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Heute Bernanke, nein Danke!

Steigende Leitzinsen sind Gift für die Börsen, fallende hingegen positiv – unbestritten hat diese gängige Börsen-Bauernregel den Vorteil, auch für Hans Wurst & Co. leicht nachvollziehbar zu sein. Leider krankt sie an dem Schönheitsfehler, mit der Wirklichkeit schon seit über acht Jahren nur noch wenig gemein zu haben:

Im Juni 1999 vollzog Alan Greenspan die erste von sechs Zinsanhebungen, während derer der Dow Jones und S&P 500 auf ein neues Allzeithoch stiegen. Beginnend mit dem Jahreswechsel 2000/2001 senkte die FED dann den Leitzins bis Sommer 2003 von 6,50 auf sage und schreibe 1,00 Prozent, was der stärkste uns schnellste jemals gesehene Zinssenkungsmarathon aller Zeiten war.

Wie sie wissen, stürzten die Börsen parallel dazu in die schlimmste Baisse seit Jahrzehnten, die Blase der New Economy platzte.

Und dann? Dann setzte die Federal Reserve den Leitzins in 17 Schritten wieder herauf bis auf 5,25 Prozent, während die Börsen haussierten und 2007 in fast allen der weltweit wichtigsten Aktienindizes neue Rekordstände markierten.

Wie in aller Welt kommt es, dass die Masse der Analysten und Anleger angesichts dieser Zahlen erneut an die Fabel per se positiver Leitzinssenkungen geglaubt hat? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich schon seit vielen Monaten einen Feldzug gegen diesen Irrglauben geführt und mich dabei nicht selten wie der einsame Rufer in der Wüste gefühlt habe.

Mit Recht lässt sich einwenden, dass die spekulative Blase der New Economy ein „Sonder- Fall“ gewesen sei. Das kann ich unterschreiben. Was aber ist wohl Immobilien- bzw. Kreditkrise, wenn nicht ebenfalls ein Sonderfall? Und eine platzende spekulative Blase!

Und so kam es, wie es kommen musste: Seit September hat die US-Notenbank den Leitzins bereits in drei Schritten um einen vollen Prozentpunkt gesenkt. Und gleich einmal weitere, aggressive Zinserleichterungen angekündigt. Hunderte von Millarden „fresh money“ wurden in die Märkte gepumpt, die US-Regierung kündigt ein umfangreiches Programm zur Konjunkturbelebung an.

Die Reaktion der Märkte spricht für sich:

Trendbrüche auf breiter Front ...

S&P 500, Dow Jones Euro Stoxx 50, Nikkei, FTSE 100, CAC 40, ATX und SMI, um mal eine gute Handvoll heraus zu greifen, haben ihre im Frühjahr 2003 gestarteten Aufwärtstrendlinien erstmals gebrochen.

Und: Am Markt sind die Zinsen für Unternehmens- und Privatkredite gestiegen, nicht gefallen, während das Volumen überhaupt gewährter Kredite regelrecht implodiert ist.

Das heißt aber: Genau denjenigen, die durch die Immobilienkrise in die finanzielle Zwickmühle geraten sind oder noch werden, genau denen nutzen fallende Leitzinsen herzlich wenig. Was für eine Ausweitung der Krise und weiter steigende Kreditausfälle spricht.Gerade die unter Alan Greenspan fast 20 Jahre praktizierte Politik der ungebremsten Liquiditätsexpansion war es, die die rotierende Blasenbildung an den Finanzmärkten entstehen ließ und zuletzt den Immobilien-Hype auslöste. Da wirkt es schon „ein wenig“ makaber, wenn die FED nun den Teufel mit dem Belzebub austreiben will. Nur:

Was sonst sollte sie tun? Als Knäblein wollte ich mal gerne der von Lex Barker gespielte Old Shatterhand sein. Hat irgendwie nicht geklappt. Heute Bernanke? Nein danke!

Bereinigung in Sicht!

Das letztlich Gute: Wie es aussieht, kommen die bisherigen (und auch künftige) Zinssenkungen nicht mehr am Kreditmarkt an. Das bietet die Chance, dass es hier zu einer echten Bereinigung kommt, auch wenn Notenbank und US-Regierung den Kurs verfolgen, genau das so lange als irgend möglich hinaus zu schieben – allemal in einem Wahljahr.

Dass diese „Bereinigung“ alles andere als schmerzfrei vor sich gehen dürfte, steht außer Frage. Und auch im Börsenbereich wird sie Opfer fordern. Bei Immobilienfinanzierern, Banken und auch Anlegern. Vor allem denjenigen, die sich noch vor wenigen Wochen noch rasch einmal reicht gerechnet und den Ausstieg verpasst haben

Die bereits genannten Trendbrüche der Frühjahr 2003-Aufwärtstrendlinien sind noch taufrisch. So wie der Bruch der Haussegerade im Nemax 50 oder Nasdaq 100 Anfang 2000. Ober der Break der Baisselinien im Frühjahr 2003.

Klar: Immer dann, wenn langjährige Trends brechen, will nahezu niemand das wahr haben. Und das, obwohl es die perspektivenstärksten Marktphasen überhaupt sind. Anfang 2000 mit ganz kleinem Geld ein Put auf den Dax oder im Wonnemonat Mai 2003 mal ein Call – schauen Sie lieber nicht nach, was daraus geworden wäre: Es macht gierig!

Eine „Garantie“ für einen dermaßen üppigen Feldzug gibt es an der Börse nicht. Aber wer etwas Spielgeld zur Verfügung hat, dem bieten sich heute die gleichen Chancen wie 2000 und 2003. Zugestanden, es hat lange genug gedauert. Länger auch, als ich erwartet habe.

Aufpassen sollten Sie nur darauf, die Derivate der richtigen Emittenten zu kaufen. Denn nicht alle werden das, was kommen wird, überleben. Citigroup, HSBC und JP Morgan Chase wären da nicht so unbedingt meine heißesten Favoriten, wenn Sie wissen, was ich meine.

Bank of America und Wachovia sehen diesbezüglich ebenfalls aus wie Knollenblätterpilze, spielen aber hier in Europa kaum eine Rolle.

2008, noch so jung wie die neue, für mich fast in der Nachbarschaft liegende, kleine Eisbärin im Nürnberger Zoo, wird ein richtig knackiges Börsenjahr! Wohlgemerkt: Es wurde kein kleiner Bulle geboren.

Beste Grüße!
Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de
© 2008 Kolumne für www.finanztreffde, www.ariva.de und www.zeitenwende.ch


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